Johannes von Borries
Geschrieben
15 September 2020
Thema
Venture Capital
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In ihrer Studie „Future made in Germany“ haben die Investoren Johannes von Borries von UVC Partners, Matthias Hilpert von MH2 Capital und Christian Meermann von Cherry Ventures 2019 die Investments in neue Innovationen von DAX-Unternehmen der letzten zehn Jahre verglichen. Die Erkenntnisse sind bahnbrechend: DAX 30-Unternehmen geben 96% ihres Innovationsbudgets für interne Ressourcen aus. Nur 4% werden für externe Innovationen eingesetzt, die wirkliche Umbrüche und langfristiges wirtschaftliches Wachstum bewirken. Wir haben mit Johannes von Borries, Managing Partner bei UVC, über die Ursachen, Auswirkungen und mögliche Lösungen gesprochen.

1. Warum investieren deutsche Marktführer im internationalen Vergleich so viel weniger in Innovationen?

Wir müssen zunächst einmal unterscheiden zwischen internen und externen Innovationen: Bei internen Innovationen, also Investitionen in die eigene Produktentwicklung, stehen die deutschen Unternehmen sogar noch sehr gut da. Aber wenn es darum geht, z.B. in Start-ups zu investieren oder gar Start-ups zu kaufen, liegen sie sehr weit hinten im internationalen Vergleich. Ein Grund dafür liegt in der Historie Deutschlands: Die etablierten Unternehmen haben selbst einmal als Start-ups angefangen und sind dann organisch über die Zeit gewachsen. Gerade im Automobil- oder Engineering-Bereich haben die Firmen von Beginn an gelernt, dass es sinnvoller ist, vieles selbst zu machen. Bisher hat das auch gut funktioniert – wir haben ja richtig erfolgreiche Firmen wie BMW oder Siemens hierzulande. Doch während früher gute Leute bei etablierten Unternehmen anheuerten, gehen sie jetzt in die Start-ups. In Zukunft wird hier eine große Lücke klaffen.

2. Welchen nachhaltigen Schaden erleiden die Unternehmen durch verpasste Chancen und verpasste disruptive Technologien?

Das sieht man derzeit sehr gut an der Corona-Krise. Betrachten wir einmal, was da gerade passiert: die Corporates – ob das jetzt ein Unternehmen wie BMW oder Continental ist – sind an der Börse und müssen sehen, dass der Cashflow positiv ausfällt. Was machen sie also: sie reduzieren sehr stark ihre R&D-Aktivitäten und alles, was nicht nah am Produkt ist, wird eingestampft. Damit schneiden sie ihre Chancen auf disruptive Technologien ab und können diese gleichzeitig nicht selbst umsetzen. Volkswirtschaftlich kann für Deutschland ein richtiges Problem entstehen, wenn hauptsächlich in den USA oder China Innovationen vorangetrieben werden. Wir hoffen jedoch, dass die Innovationen zunehmend in die Start-ups verlagert werden, aber dazu müssen diese natürlich finanziert werden. Die großen Firmen müssen die Technologien schließlich auch kaufen – und daran hapert es heute noch in Deutschland. Google oder Apple z.B. kaufen pro Jahr mehrere (ehemalige) Start-ups, um langfristig innovativ zu bleiben.

3. Was können Unternehmen aktiv tun, um innovativ zu bleiben?

Wichtig ist, dass die großen Unternehmen nicht den Kontakt zu den Start-ups verlieren.

Wenn sie Budgets kürzen ist das eine Sache – doch sie können trotzdem mit Start-ups zusammenarbeiten, wie es hier bei UnternehmerTUM z.B. mit Techfounders möglich ist.

Wir haben in der Studie mit Best Practices wie SAP gezeigt, dass eine gezielte Zusammenarbeit mit Start-ups (z.B. Pilotprojekte durchführen), ein guter Weg sind, frühzeitig den Blick für neue Innovationen zu erweitern. Diese gezielten Aktivitäten benötigen noch keine großen Investitionen oder Integrationsprojekte, die nur vom Kerngeschäft ablenken würden. Parallel dazu sollten etablierte Unternehmen in Venture Capital Fonds investieren, die als Multiplier und Markt-Screener agieren. So haben die etablierten Firmen dann bereits den Kontakt, wenn die entsprechenden Start-ups später einmal Umsätze in relevanter Millionenhöhe erreichen und über ausgereiftere Organisationen verfügen. Denn erst dann hat das Start-up die nötigen Ressourcen und Prozesse, um eine fruchtbare und nachhaltige Zusammenarbeit mit den großen etablierten Unternehmen zu ermöglichen. Daraus kann in mehreren Jahren auch eine vollständige Übernahme entstehen, muss aber nicht. Das ist genau das, was wir mit unserer Studie propagieren: Große Unternehmen müssen gar nicht so früh bei Start-ups direkt als Investor einsteigen, sondern lieber den Kontakt halten,– und dies wird hier bei UnternehmerTUM z.B. durch UVC oder Techfounders ermöglicht.

4. Seht ihr von UVC euch da als Vermittler?

Definitiv. Viele namhafte Unternehmen wie Daimler, Continental, Trumpf usw. haben bewusst bei uns investiert, um dadurch den Zugang zur Start-up-Szene zu erhalten. Sie erleben bei uns hautnah, was in der Szene passiert und können sich erst zu einem späteren Zeitpunkt für eine Kooperation oder direktes Investment entscheiden. Das ist sehr attraktiv für die Firmen. Für uns ist wiederum spannend zu sehen, welche Bedürfnisse und Probleme etablierte Unternehmen haben.

5. Sind wir da schon auf einem guten Weg?

Große Firmen haben hierfür schon Einheiten eingerichtet, die sich genau mit dieser Innovationsarbeit beschäftigen – und der Mittelstand wird hier noch eine Lernphase durchlaufen müssen, um den Anschluss zu behalten. Insgesamt sind wir da schon auf einem guten Weg, von dem uns die Coronakrise hoffentlich nicht abbringen wird.


Vielen Dank für das Interview!


Hier gibt es die Insights zur Studie zum Nachlesen.