Fokusthemen

Erst Crowdfunding, dann Venture Capital? Die Erkenntnisse für Start-ups und Kapitalgebende - Interview mit Dr. Alexander Huber

PC-Bildschirm mit Zahlenübersicht © Austin Distel
Geschrieben
22 Januar 2021
Thema
Venture Capital
Teilen

Dr. Alexander Huber, Director Finance bei Unternehmertum Venture Capital Partners, hat mit weiteren Forschenden zwei wissenschaftliche Arbeiten über den Zusammenhang von Crowdfunding und Venture Capital-Investments verfasst. Wir haben ihn zu den Erkenntnissen befragt.

Du hast mit deinen Co-Autorinnen und -Autoren Dr. Ferdinand Thies, Prof. Dr. Carolin Bock und Prof. Dr. Alexander Benlian das belohnungsbasierte (“reward-based”) Crowdfunding auf Plattformen wie kickstarter untersucht. Das nutzen viele Gründende im B2C-Bereich. Worauf kommt es bei einer Crowdfunding-Kampagne an und was ist der Mehrwert dieser Finanzierungsart?

Grundsätzlich erlaubt das Crowdfunding Gründenden, ihre Produkt- und/oder Dienstleistungsidee verhältnismäßig schnell und unkompliziert finanzieren zu lassen. Je nach rechtlichen Rahmenbedingungen erhalten die Unterstützenden Anteile am Unternehmen, Schuldverschreibungen oder ganz einfach das zu entwickelnde Produkt.

Im Wesentlichen unterscheidet sich das Crowdfunding aber nicht von einer anderen Form der Finanzierung wie durch Business Angels oder Venture Capitalists (VCs). Das Team, das Produkt und natürlich die Entwicklung muss zur Personengruppe passen, die “investiert” - alles verpackt in einen überzeugenden Pitch. Durch Crowdfunding haben es Gründende allerdings leichter, mit einer einzigen Kampagne viele Investitionen zu erreichen, da große Plattformen wie z.B. kickstarter über eine globale Reichweite verfügen.

Die “Schwarmfinanzierung” erlaubt es zudem, das Produkt oder die Dienstleistung vorab am Markt zu testen und die Nachfrage einzuschätzen. Oft sind die so genannten “Backer” (so werden Investierende in diesem Kontext genannt) ja auch die Kundinnen und Kunden! Im Umkehrschluss bedeutet das: eine erfolgreiche Crowdfunding-Kampagne kann man als Synonym für einen positiven Markteintritt bzw. eine potentielle Nachfrage werten. Gleichzeitig ist sie ein Indiz für den zukünftigen Erfolg.

Foto von Dr. Alexander Huber © Bureau Zweisam

Die “Schwarmfinanzierung” erlaubt es zudem, das Produkt oder die Dienstleistung vorab am Markt zu testen und die Nachfrage einzuschätzen.

Dr. Alexander Huber, Director Finance bei Unternehmertum Venture Capital Partners

Was sind weitere Unterschiede zur Finanzierung mit Risikokapital (Venture Capital)?

Wie oben angedeutet kommt es auf die Vereinbarungen an. Im Kern kann man aber sagen: Beim Crowdfunding gibt es viele Investierende mit kleinen Beträgen, beim Venture Capital (VC) gibt es wenige mit großen Beträgen. Zusätzlich ist eine wesentliche Komponente beim Crowdfunding nicht vorhanden, das so genannte “Smart Money”. Darunter versteht sich, dass die Venture Capitalists (oder auch Business Angels) nicht nur reines Kapital investieren, sondern auch das Netzwerk, unternehmerische Erfahrung und vieles mehr mit der Gründung teilen.

Ihr habt euch in der ersten Studie explizit damit beschäftigt, wie sich eine Finanzierung durch Crowdfunding auf anschließende Venture Capital-Investitionen auswirkt. Was sind die Erkenntnisse?

Wir haben empirisch belegen können, dass eine erfolgreich abgeschlossene Crowdfunding-Kampagne die Wahrscheinlichkeit einer Anschluss-Finanzierung mit Venture Capital signifikant erhöht. Zudem konnten wir feststellen, dass das so genannte “Platform Endorsement” - also die Hervorhebung bestimmter Kampagnen durch die Plattform selbst - eine positive Auswirkung auf die Anschlussfinanzierung durch einen VC Fonds hat.

Start-ups mit erfolgreichem Crowdfunding haben also bessere Chancen auf eine Venture Capital-Investition?


Ja. Dieser Zusammenhang gilt jedoch nur bis zu einer bestimmten Grenze. Ab dann nimmt die Wahrscheinlichkeit sogar ab - wir haben das eine inversen U-förmigen Zusammenhang genannt.

Das erklären wir uns u.a. damit, dass das eingeworbene Kapital ab einer gewissen Höhe ausreicht und eine anschließende Venture Capital-Finanzierung schlichtweg nicht mehr notwendig ist. Ein weiterer Grund könnte sein, dass die Forderungen des Gründungsteams steigen - bedingt durch den großartigen Erfolg der Kampagne. Das erscheint aus Sicht der VCs dann nicht mehr “lukrativ”.

Der Dealflow wächst nicht automatisch mit dem verfügbaren Kapital. Investierende müssen über Landes- und Technologiegrenzen hinweg nach guten Chancen suchen.

Dr. Alexander Huber

Gibt es einen Anreiz für VCs, nach Gründungen mit erfolgreichem Crowdfunding zu suchen und in diese zu investieren?

Mit Sicherheit, denn der Dealflow wächst nicht automatisch mit dem verfügbaren Kapital. Investierende müssen über Landes- und Technologiegrenzen hinweg nach guten Chancen suchen. Das liegt daran, dass es einerseits aktuell viele neue und große Fonds gibt, aber gleichzeitig die Anzahl der sehr guten Investitionsmöglichkeiten nicht gleichermaßen ansteigt. Zweitens wird die Landschaft der Beteiligungen heterogener und internationaler. So genannte Platzhirsche haben in ihrer “Home-Zone” nicht automatisch ein Vorzugsrecht.

Nach dem Crowdfunding steuern oft mehrere Fonds Risikokapital für dasselbe Start-up ein - eine so genannte “Syndicated Round”/Syndizierung. Welche Vor- und Nachteile gibt es hier?

Ein Grund für eine Syndizierung ist, die Evaluation des Start-ups auf mehrere Schultern zu verteilen. Das ist u.a. dadurch bedingt, dass vor Abschluss einer Beteiligung nicht jede Seite dieselben Informationen hat - vier Augen sehen mehr als zwei. Darüber hinaus kann man so Ressourcen bündeln - materiell wie immateriell.

Gleichzeitig ist das Zusammenspiel von verschiedenen Kapitalgebenden aber auch mit gewissen “Reibungen” verbunden: unterschiedliche Fonds-Laufzeiten, Rendite-Erwartungen, usw. Am Ende treten die Parteien gemeinsam eine Reise von drei bis sieben Jahren an und müssen miteinander auskommen.

Wie wirkt es sich auf die Syndizierung von VCs aus wenn ein Start-up vorher das Crowdfunding durchlaufen hat?

Unsere zweite Studie hat ergeben, dass eine erfolgreich abgeschlossene Crowdfunding-Kampagne grundsätzlich die Wahrscheinlichkeit verringert, von einem Beteiligungssyndikat finanziert zu werden. Zudem bestätigen die Ergebnisse, dass die Syndikatgruppen grundsätzlich kleiner ausfallen, gleichzeitig aber internationaler geprägt sind. Einen Unterschied zur Erfahrung bzw. Professionalität der beteiligten Fonds, gemessen an z.B. der Anzahl an Exits usw., konnten wir nicht feststellen.

Vielen Dank für das Interview!

___________________

Die zwei veröffentlichten Arbeiten von Dr. Alexander Huber und seinen Mitwirkenden zum Thema findet ihr hier: