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„Kreislaufwirtschaft ist unternehmerisch absolut spannend“ – Interview mit Carl Warkentin, Unternehmer und Founder Circular Platforms bei CIRCULAR REPUBLIC

© Carl Warkentin © © Carl Warkentin
Geschrieben
17 Februar 2023
Thema
Nachhaltigkeit
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Als Gründer des nachhaltigen Mode-Labels Monaco Ducks weiß Carl Warkentin, was es bedeutet, das eigene Unternehmen zirkulär auszurichten. Zusammen mit seinem Co-Founder Julian Hermsdorf baute er eines der ersten wirklich nachhaltigen Textilunternehmen im Schuh-Segment auf und hat miterlebt, welche Herausforderungen, vor allem aber welche Geschäftschancen die Kreislaufwirtschaft bietet. Seit Januar ist Carl als Founder Circular Platforms bei UnternehmerTUM tätig und verantwortet Multi-Stakeholder-Projekte bei der neuen Initiative CIRCULAR REPUBLIC.

Im Interview erzählt er von seinem Weg zum nachhaltigen Unternehmer und teilt Lösungen für eine zirkuläre Zukunft der Textilindustrie.

Du bist Co-Founder des nachhaltigen Schuh-Labels Monaco Ducks. Was hat dich zum eigenen Business motiviert?

Ich war nach dem Studium im Maschinenanlagenbau bei Voith tätig und habe dort Digitalisierungsprojekte umgesetzt, was ich sehr spannend fand, weil das erstmalig ein Bereich war, wo man mit vielen Unternehmen zusammenarbeitet und mit Wettbewerbern gemeinsam Lösungen erarbeitet.

Warum ich das erzähle: Genau das hat mich später zur Kreislaufwirtschaft gebracht, da es hier genau das gleiche Thema ist: mit anderen Unternehmen zusammenzuarbeiten - denn Kreislaufwirtschaft geht nur so. Für Voith hatte ich in Kalifornien als Spin-off eine Papier-Recycling-Plattform für B2B aufgebaut. In der Zeit habe ich als Head of Business Development für Digitalisierung auch in Start-ups investiert, kenne also sowohl die Investoren- als auch die Start-up-Perspektive.

Ich wollte aber immer etwas Eigenes mit Impact machen und habe damals realisiert, dass der Modemarkt nach der Ölindustrie der zweitschmutzigste Markt ist. Dazu sind Schuhe, da sie komplex in der Struktur sind und meist keine nachhaltigen Materialien beinhalten, das dreckigste Produkt im Fashion-Markt ist. Gleichzeitig sind Sneaker DIE Lifestyle-Produkte unserer Generation. Mein Gedanke war: Wenn ich es schaffe, dieses beliebte Produkt nachhaltig zu innovieren, ist der Impact am größten. Also haben mein Gründungspartner Julian und ich angefangen, nachhaltige Sneaker zu machen, als es noch keine nachhaltigen Sneaker gab. 2014 haben wir offiziell gegründet, aber 2016/2017 erst waren wir auf dem Markt etabliert.

Was ist euer Anspruch an nachhaltige Schuhe?

Unser Anspruch ist Komfort, Langlebigkeit und Qualität - aber auch Design ist absolut wichtig. Wir zeigen, dass nachhaltig auch gut aussehen kann. Die beiden größten Kaufkriterien für die meisten Menschen sind der Preis und das Image, zu Letzterem zählt auch das Design. Es sollte in unserem Fall also nicht heißen, „wow, das ist aber nachhaltiger Schuh“, sondern „wow, das ist ein cooler Schuh und dazu nachhaltig“. Sich aber so ein Image aufzubauen, ist nicht einfach und dauert lange.

Warum ist es besonders schwer, Schuhe zu einem Kreislaufprodukt zu machen?

2021 gab es das Medienprojekt „Sneakerjagd“, bei dem Journalisten mit Prominenten wie Carolin Kebekus, Jan Delay, Janin Ullmann u.v.m., ein Experiment gestartet haben: ihre alten Sneaker wurden mit GPS-Trackern versehen, um zu verfolgen, was nach der Entsorgung passiert, z.B. über Altkleidersammlungen, Take-back-Stationen wie von H&M oder Nike oder den Hausmüll. Das Ergebnis war, dass ein beträchtlicher Teil auf illegalen Mülldeponien in Südafrika landet. Da ist mir klar geworden: auch unsere nachhaltigen Sneaker enden nach ihrer Nutzungsdauer im Zweifel genau dort.

Aktuell ist es zwar so: ca. die Hälfte wird hier unter relativ guten Bedingungen verbrannt, also thermisch verwertet. Die andere Hälfte kommt tonnenweise als Second Hand in Dritte-Welt-Länder, wird dort verkauft oder von den Menschen zerlegt, um an die Metallteile wie Ösen zu kommen. Die Sohle wird sogar oft als Alternative zu Brennholz verwendet, was absolut schädlich für Mensch und Umwelt ist. Deswegen haben wir mit dem Sneakerjagd-Team unser zweites Unternehmen GRND gegründet, um dazu beizutragen, diese illegalen Mülldeponien zu minimieren. Die Idee ist, vor Ort den Müll einsammeln zu lassen und lokale Produktionen aufzubauen, damit z.B. Sneakersohlen „gegrinded“, also in kleine Teile zerschnitten werden, um damit neue Sohlen zu produzieren. So verändern wir wirklich vor Ort etwas und schaffen Arbeitsplätze.

Das Material wird wieder zurück nach Europa geschickt und Afrika nicht mehr als Müllhalde der Welt missbraucht. Das hat auch Auswirkungen auf Monaco Ducks, da wir komplett kreislauffähige Schuhe produzieren wollen. Wichtig ist uns, nur wenige verschiedene Materialien zu verwenden, so dass die Schuhe einfacher in ihre Bestandteile getrennt werden können und bieten zudem ein – leider zu wenig genutztes – Take-back-System.

Das eigentliche Problem ist aber, dass die Infrastruktur für diesen Prozess noch nicht weit genug fortgeschritten ist. Genau deswegen bin ich zu UnternehmerTUM gekommen, um hier gemeinsam mit den großen Playern der Industrie Infrastrukturprojekte auf den Weg zu bringen. Das funktioniert am besten mit einer neutralen Plattform wie CIRCULAR REPUBLIC.

Was sind die nächsten Schritte mit CIRCULAR REPUBLIC?

CIRCULAR REPUBLIC wurde kürzlich mit den drei Säulen – Enable, Act und Inspire – gegründet und ich bin dafür verantwortlich, im Bereich „Act“ Kreislaufwirtschaftsprojekte voranzutreiben und umzusetzen. Z.B. haben wir ein Textilprojekt initiiert, in dem wir uns zunächst auf Sneakers konzentrieren, sowie ein Battery-Projekt, um Batterien für Elektroautos kreislauffähig zu machen. Es geht also nicht darum, Batterien wie beim Recycling zurückzunehmen, sondern eine ganze Infrastruktur aufzubauen. Die Idee dahinter ist, dass auch profitable Geschäftsmodelle daraus hervorgehen und ausgegründet werden.

Sobald einmal klar wird, dass Kreislaufwirtschaft Sinn, Spaß und Umsatz bringt und nicht nur „nice-to-have“ ist, springen alle auf diesen Zug auf.

Carl Warkentin

Wie optimistisch bist du, was die Zukunft der Kreislaufwirtschaft betrifft?

Ich bin absoluter Optimist, aber natürlich ist noch sehr viel zu tun. Wenn man betrachtet, wieviel sich allein in den letzten Jahren beim Thema Nachhaltigkeit getan hat, und dass fast jedes Unternehmen hier schon etwas umsetzt, kann ich mir gut vorstellen, dass auch in den nächsten Jahren große Fortschritte gelingen.

Ich vergleiche das gerne mit der Digitalisierung: In den 90er Jahren gab es nur ein paar Digital-Start-ups, was damals noch ganz neu und verrückt für die Mehrheit war. Innerhalb von nur zehn Jahren hat die ganze Unternehmenswelt die Digitalisierung ins Zentrum des Geschäfts gebracht. Heute geht es gar nicht mehr ohne. Genauso erwarte ich, dass es in zehn Jahren heißt: Nur wenn wir Kreislaufwirtschaft zum Fokus machen, sind wir als Unternehmen überlebensfähig.

Mein Wunsch ist, dass noch viel mehr aus Brüssel von der Politik kommt, aber auch aus der Wirtschaft mit gezielten Initiativen. Sobald einmal klar wird, dass Kreislaufwirtschaft Sinn, Spaß und Umsatz bringt und nicht nur „nice-to-have“ ist, springen alle auf diesen Zug auf.

Ich bin sehr optimistisch, dass bis 2030 alle neuen Unternehmen Kreislaufwirtschaft zumindest im Herzen tragen und wir zum Großteil zirkulär sind.

Was kann man als Einzelperson konkret bewirken?

Viele wollen gezielt ihr Kaufverhalten auf Nachhaltigkeit ausrichten und kaufen bei den großen Anbietern die Öko-Version. Aber: sie können nicht wissen, wie nachhaltig die Produkte wirklich sind und haben kaum eine Möglichkeit, sich vollständig informieren.

Wo ich die Einzelperson in der Verantwortung sehe, ist bei der Frage: Was mache ich mit meinem Müll und wieviel Müll generiere ich, also wie viele Sachen muss ich neu kaufen?

Kürzlich kam der jährliche Circularity Gap Report heraus und hat gezeigt: Wir sind aktuell deutlich weniger zirkulär als noch vor zwei Jahren. Warum ist das so? Gefühlt sind zwar viele Produkte kreislauffähiger geworden und es wird mehr recycelt – aber es wird gleichzeitig auch viel mehr verkauft. Die schiere Masse an Produkten ist stark angestiegen und wird auch weiter steigen. Genau hier liegt es an uns Einzelnen, weniger zu kaufen und uns zu fragen, was danach mit dem Produkt passiert.

Und die Unternehmen?

Im Food- sowie im Mode-Bereich werden rund 40% aller Produkte nie verkauft, es wird also viel zu viel produziert.

Ich habe kürzlich ein schönes Zitat gehört: „It’s not about how we spend it, it’s about how we make it.” Es geht also gar nicht primär darum, was wir kaufen und wofür wir unser Geld ausgeben, sondern vielmehr darum, wie Unternehmen Produkte produzieren und wie sie generell wirtschaften. Mit CIRCULAR REPUBLIC wollen wir zeigen, dass Kreislaufwirtschaft unternehmerisch absolut spannend ist. Diejenigen, die bereits jetzt damit beginnen, werden auch am meisten belohnt.

Ich glaube, dass wir bei UnternehmerTUM das beste Ökosystem haben, um Kreislaufwirtschaftsprojekte voranzutreiben, als neutraler Player, vertrauenswürdiger Partner und Magnet für alle Unternehmen. Meine Vision ist, dass wir hier alle großen Akteure an einen Tisch bringen und gemeinsam Lösungen entwickeln.

Vielen Dank für das Interview!

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